Wer bestimmt den US-Wahlkampf?

Originaltext des redaktioneller Kommentars
Einschätzung der Kandidaten

Amerikanische Kinder lernen früh in der Schule, dass jeder einmal Präsident werden kann, theoretisch jedenfalls, aber wenn man bestimmte Kandidaten bei der Präsidentschaftsvorwahl in den USA anschaut, dann kann man auch hämisch ein “leider“ hinzufügen.
Bei den letzten Wahlzyklen wiederholten die Demokraten das Mantra, dass die jeweilige Wahl die wichtigste unserer Zeit sei. Diesmal könnte es tatsächlich zutreffen. Nicht allzu lange ist es her, wo die Unterschiede zwischen einen Demokraten und einen Republikaner wenig signifikant waren. Man tendierte zur Mitte und das Washingtoner Establishment verhinderte Ausreißer. Heute erleben wir jedoch ein breites Spektrum an Kandidaten, die es zwar früher auch gab, aber es nicht so weit gebracht haben. Woher kommt das? Und warum war es unausweichlich?
Man muss mit ein Blick in die politischen Anfänge der Vereinigten Staaten anfangen. Vor gut zweihundert Jahren hatte die junge Republik die fortschrittlichste Regierungsform der Welt. Wegen riesigen Entfernungen und dem föderativen System etablierte sich ein Zweiparteiensystem in der Stimmen für eine unterlegene Partei überregional oder national gesehen verloren gehen. So konzentrieren sich Wahlen eher auf eine Person, in Gegensatz zu auf eine Partei, wie in Parlamenten, die sich in Europa in den darauffolgenden hundert Jahren entwickelten. Dem amerikanischen System steht so eine Reform noch aus.
Hinzu kommt der eigenartige amerikanische Charakter. Er stammt von einem bestimmten biologischen und kulturellen Menschenschlag, der den Mut und die Abenteuerlust aufbrauchte nach Amerika auszuwandern. Der erfolgreiche Streber ist Held der Nation, wo scheinbar grenzenlos Wachstum möglich ist. Auch zum Weißen Haus. Für die heutige Situation kommen einflussreiche technische Komponenten hinzu: Massenmedien und die sozialen Medien. Man kann heutzutage so leicht und widerholt übers Telefon über Showkandidaten in Fernsehsendungen abstimmen wie auch unendlich Online-Petitionen und -Umfragen und Kampanien in den sozialen Medien anklicken und „liken“. Bewertungen über Talente und Geschick werden nicht von professionellen Experten gefällt sondern durch eine Masse, die sich keine Gedanken über Konsequenzen macht wenn sie ad hoc emotional beurteilt. So werden Wahlergebnisse banalisiert; die Verantwortung dafür gemindert. Die Ernsthaftigkeit der Präsidentschaftswahl geht verloren.
Dies nützt Trump, der das Model eines gewöhnlichen US-Bürgers darstellt. Klar, er hat zig-mal mehr Geld als der normale Amerikaner, aber er verkörpert mit seinem Erfolgswillen und seiner ungezügelten Zunge das, was ein „gemeiner“ Amerikaner sein möchte; „gemein“ hier im beiden Sinnen. Seine Popularität ist also kein Wunder, da er das Spiegelbild für Viele ist, denen eine aufregende Persönlichkeit das Wichtigste und ein Parteiprogramm lästig und unverständlich ist. Diese Wähler verstehen leider nicht, dass ein Präsident nicht sein kann wie du und ich, sondern bestimmte hohe, gar elitäre Qualifikationen haben muss.
Wie stehen die Chancen nun für diesen „gemeinen“ Kandidaten nach dem Super-Dienstag-Wahltag, auch im Vergleich mit den anderen Kandidaten? Nicht besonders gut, aber auch nicht aussichtslos. Das Ergebnis hat eine interessanterweise recht balancierte und dadurch recht spannende Situation bestätigt. Meinungsumfragen zeigen eine konstante Tendenz in der Trump eine hohe Beliebtheit hat, die jedoch allgemein unter 50% bleibt. Er sammelt dadurch auch zwar viele Wahlmänner und ist der stärkste Kandidat, doch wenn seine Gegner dranbleiben, wird ihm die absolute Mehrheit verwehrt.
Ein kurzer Blick hier auf seine zwei wichtigste Gegenkandidaten: die Senatoren Ted Cruz und Marco Rubio. Sie teilen sich in etwa die restliche Hälfte der Stimmen. Man muss schon genauer hinsehen wodurch die Beiden sich noch unterscheiden. In den Debatten, die man bisher von republikanischen Kandidaten erlebt hat, war es nicht zu überhören, wie sie versuchten sich gegenseitig Rechtsaußen zu überholen, z.B. in Bezug auf Abtreibung, Waffenbesitz und Homo-Ehe. Der eher väterliche Ted Cruz spricht jedoch zusätzlich besonders ultra-konservative christliche Wählerkreise an. Der nur ein Jahr jüngere Marco Rubio ist im Vergleich ein wenig relativ gemäßigter, er schlägt sogar bezahlten Elternzeit vor, wie man in seinem Wahlprogram nachlesen kann. Bei den anderen kann man eher nur Absichtserklärungen finden. Detaillierte Pläne findet man eher zu Steuerreduzierungen, auch bei Trump. Marco Rubio kann man noch zugutehalten, dass er sich redegewand auf Redeschlachten mit dem Großmaul Trump einlässt.
Stimmen ziehen noch der Gouverneur John Kasich und der Chirurg Dr. Ben Carson auf sich. Kasich ist noch der einzige, der vorzeigbare Regierungserfahrung hat, aber er kann sich nicht profilieren. Dr. Carson war mal so populär wie Trump, aber seine Verrücktheiten nahm man langsam nicht mehr ernst. Trumps Verrücktheiten kommen jedoch noch an. Sie zogen sogar die Befürwortung auf ihm von einem kürzlich Ausgeschiedenen, den eigentlich recht moderaten Gouverneur Chris Christie, der deswegen nun als Opportunist verschrien wird.
Eigentlich kann Hillary Clinton froh sein, dass Bernie Sander ihr auf den Fersen ist, wie das Dienstagsergebnis bestätigte. Sie muss recht aktiv ihr umfangreiches Programm verkünden um den Vorsprung zu halten. Wie in der anderen Partei konturieren hier auch Idealisten an den Rändern mit erprobten Pragmatikern. Sanders kann hier und da mal eine Mehrheit einsammeln, da er aber in seinem wichtigen Nachbarstaat Massachusetts nicht gewonnen hat, zeichnet es sich ab, dass er die absolute Mehrheit wohl nicht schaffen wird. Trotzdem schwor er im Rennen zu bleiben. Wo andere Kandidaten ausscheiden, weil wichtige Geldgeber wegbrechen, brauch er sich dank stetiger Beiträge zahlloser Kleinspendern keine Sorgen zu machen.
Spannend wird es schließlich auf dem Parteikonvent der Republikaner. Zwar gibt es die Idee, dass Rubio oder Cruz vorher aussteigt um dem anderen seine Wahlmänner zu vermachen, aber so verzweifelt ist die Partei noch nicht. Dies wird, vorausgesetzt Trump bekommt keine absolute Mehrheit, eher nach mehreren Wahldurchgänge auf dem Konvent geschehen. Zur Not werden die Stimmen der Parteifunktionäre nachhelfen.
So eine Schlappe wird Donald Trump dann wohlmöglich nicht hinnehmen und als unabhängiger „gemeiner“ dritter Kandidat wieder durchstarten.

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